Gentechnik im Kartoffelanbau

Auch in der Kartoffelzucht wird mehr und mehr die äußerst umstrittene Gentechnik praktiziert. Zu diesem Thema wurde bereits 1996 folgendes veröffentlicht.

Dieser Artikel ist für das Internet von R.Saedler html-isiert worden und kann unter http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~rsaedler/ nachgelesen werden.

Durch Gentechnik zu umweltfreundlichen, nachwachsenden Rohstoffen für die Industrie: Die amylosefreie Kartoffel

Wozu wird Stärke gebraucht?


Stärke begegnet uns im Alltagsleben überall: Die Nahrungsmittelindustrie benutzt sie als Bindemittel. Somit ist sie in vielen unserer Lebensmittel enthalten. Aber sie kann auch für völlig andere Zwecke eingesetzt werden: zur Herstellung von Papier, Wellpappe, Textilien, Arzneimitteln, Baustoffen und Kunststoffen. Als biologisch abbaubares Material hält sie in die Verpackungsindustrie Einzug. Man gewinnt sie aus Pflanzen, denn dort ist sie der Speicherstoff Nummer 1: Bei der Photosynthese stellt die Pflanze aus Wasser und Kohlendioxid unter Einwirkung des Sonnenlichtes Zucker her (Glukose). Diese Glukose wird später in Stärke umgewandelt und in den Speicherorganen (zum Beispiel den Knollen der Kartoffel oder den Körnern der Getreide) gelagert.

  


Was ist Stärke?


Die Eigenschaften der Stärke, nämlich zu verbinden, zu verdicken und Filme zu bilden, liegen in der molekularen Struktur des Moleküls begründet. Und gerade diese Eigenschaften führen zu der vielseitigen Anwendung.

Daher wird es nun zunächst einmal chemisch, denn das Molekül der Stärke besteht aus einer Kette von Zuckereinheiten (Glukose) und ist damit ein Mehrfachzucker (Polysaccharid). Sie kommt in zwei Formen vor: der Amylose und dem Amylopektin. In beiden sind die Zuckereinheiten miteinander a-1,4-glykosidisch verknüpft. Das Amylopektin-Molekül verzweigt sich allerdings etwa alle 30 Zuckereinheiten durch eine a-1,6-glykosidische Verbindung, während die Amylose unverzweigt ist. Durch die "Seitenäste" ist Amylopektin besser löslich.

Die glykosidischen Verzweigungen im Stärkemolekül


Stärke ein sinnvoller Rohstoff:
Stärke ist als nachwachsender Rohstoff ein Naturprodukt, das biologisch abbaubar und umweltfreundlich ist. Während Stoffe wie Erdöl und Kohle nicht erneuerbar sind und ihre Reserven daher unweigerlich dem Ende zugehen, können Pflanzen, die Stärke oder andere Rohstoffe produzieren, immer wieder angebaut werden. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe, denn zum einen ist Stärke ein umweltfreundliches, vielseitiges Produkt, zum anderen bietet sie den Landwirten zu Zeiten der Überproduktion von Nahrungsmitteln eine sinnvolle Alternative, ihr Einkommen zu sichern. Stellt man mit Hilfe von Stärke Papier her, gibt es noch einen weiteren umweltfreundlichen Aspekt: Stärke bindet Füllstoffe und Farbpigmente weitestgehend in die Papierbahnen ein. Dadurch belastet dieses Verfahren der Papierherstellung das verwendete Wasser weniger. Allerdings ist Stärke nicht gleich Stärke: Denn je nach dem, von welcher Pflanze die Stärke produziert wird, enthält sie unterschiedliche Mengen an Amylopektin und Amylose. Darüber hinaus lagern sich Stoffe wie Fette, Eiweiße und Wasser an. Im chemischen Sinne ist sie also kein "reiner" (sauberer) Rohstoff. Daher kann die Industrie diesen Stoff nicht immer so wie er ist direkt nutzen, sondern muss ihn reinigen und oft chemisch verändern. Das belastet nicht nur Abwässer mit Schadstoffen, sondern verbraucht auch Energie. Amylopektin findet am häufigsten Verwendung: Es deckt 75 Prozent des industriellen Bedarfes ab, während 20 bis 25 Prozent auf die Amylose fallen. Die unterschiedlichen chemischen Eigenschaften dieser beiden Stoffe bedingen auch völlig unterschiedlichen Anwendungen: Amylopektin eignet sich als Kleister, während Amylose ihre Verwendung in Filmen findet. Diese Vielseitigkeit macht die beiden Komponenten der Stärke zu interessanten Rohstoffen für viele Zweige der Industrie.

Stärkekörner aus den Knollen der Kartoffel färben sich mit einer jodhaltigen Lösung blau. Der Grund dafür ist, dass sie neben des Amylopektins auch die Amylose enthalten: Sie färbt sich blau. Die Schichtung der Körner läßt sich deutlich erkennen.


Pflanzen liefern Stärke:
Der Landwirt baut für die Erzeugung der Stärke bevorzugt Kartoffeln an, denn sie liefern die besten Erträge pro Hektar. Der Mais und andere Getreidearten folgen, während Erbsen und Bohnen den Schluß bilden.

Für den Mais sind Mutanten bekannt, die nur den einen oder nur den anderen Teil der Stärke bilden. Die Kartoffel besitzt allerdings vier Chromosomensätze (tetraploid). Daher ist es bislang züchterisch noch nicht gelungen, ähnliche Mutationen in der Kartoffel zu erhalten. Zwar gibt es eine sogenannte monohaploide Linie (das heißt für die Kartoffel, dass an Stelle zweier Chromoso-mensätze in der haploiden Form nur einer vorhanden ist) die keine Amylose herstellt, aber die Pflanzen bilden weniger Knollen und eignen sich somit nicht für die Produktion großer Mengen Amylopektins. Darüber hinaus sind sie nicht sehr vital.

Die Stärke wird in den Plastiden der Pflanze hergestellt. Zu ihnen gehören die grünen Chloroplasten, die Ort der Photosynthese sind, und die weißen Amyloplasten, die Re-servestärke speichern. An der Bildung der Stärke sind Proteine beteiligt -sogenannte Enzyme-, die die Reaktionen in Zellen er-möglichen. Für die Amylose sind zwei Grup-pen dieser biochemischen Katalysatoren be-kannt: die löslichen und die an Körnern aus Stärke gebundenen Stärkesynthasen.

Für die Kartoffel kennt man diese Enzyme und ihre Erbinformation. Das gebundene Enzym ist für die Bildung der Amylose in der Kartoffel verantwortlich. An diesem Enzym arbeiteten Wissenschaftler des MPIZ.

Bei gentechnisch veränderten Pflanzen ist das Gen für die gebundene Stärkesynthase mit Hilfe der Antisense- Strategie ausgeschaltet worden. Somit können sie keine Amylose mehr bilden. Das Amylopektin alleine färbt sich rot. Dadurch erscheinen die Stärkekörner dieser Pflanzen im Mikroskop rötlich. Die dunklen Stellen kommen durch die Brechung des Lichtes zustande.


Zu maßgeschneiderten Stärkegehalten und -zusammensetzungen durch gentechnische Veränderungen:
Da die Veränderung der Zusammensetzung von Stärke in Kartoffeln durch herkömmliche, klassische Züchtung bislang mißlang, dachten sich die Molekularbiologen neue Wege aus. Für die Bildung von Proteinen in Zellen sind Gene verantwortlich. Zum einen können Veränderungen in der Abfolge der Bausteine (Basen) diese Gene ausschalten oder aber die Funktion des Proteins zerstören. Dieses Ereignis kommt in der Natur vor, kann aber auch im Labor herbeigeführt werden. Aber manche Gene lassen sich auch mit anderen Methoden ausschalten. Wenn Zellen ein Protein bilden, dann wird die Information eines Gens in der Form einer Matritze als sogenannte einzelsträngige Boten-RNA (mRNA) abgeschrieben (Transkription). Spezifische Organellen der Zelle, die sogenannten Ribosomen, übersetzten diese RNA dann in Protein (Translation). Die einzelsträngigen mRNAs bilden das Ziel der Antisense-Strategie. Sie ermöglicht es, die Aktivität eines Genes zu verringern oder sogar völlig zu unterdrücken. Mit Hilfe eines künstlichen Gens, dessen RNA komplementär -also gegensinnig (antisense)- zum Zielgen ist, blockiert man die mRNA des gewünschten Gens. Denn nach einem Modell paaren sich diese beiden RNAs zu einem Doppelstrang, den die Proteinmaschinerie der Zelle (Ribosomen) nicht mehr in Protein übersetzten kann.

Eine andere Möglichkeit, Gene zu blockieren, sind Ribozyme. Dies sind Enzyme, die nicht aus Protein, sondern aus Ribonukleinsäure (RNA) bestehen. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass solche Moleküle die ersten Enzyme in der Ursuppe waren. Diese Ribozyme können bestimmte RNAs zerschneiden. Entwickelt man also ein Ribozym, das spezifisch die mRNA des Ziel-Gens zerschneidet, dann besteht die Möglichkeit dieses Gen auszuschalten.


Der Weg zur amylosefreien Kartoffel:
Wie erwähnt ist die an Körnern gebundene Stärkesynthase (GBSS) der Kartoffel für die Bildung der Amylose verantwortlich ist. Eine Mutation in diesem Gen ist aus dem Mais bekannt. Sie führt zu einem wachsähnlichen Aussehens des Maiskorns. Daher erhielt das Gen den Namen "waxy". Ein Teil des Gens (Promotor) ist für seine Regulation verantwortlich. Dieser Promotor bestimmt, wann, wieviel und wo das Enzym gebildet wird. So bilden ausschließlich die Knollen der Kartoffel die gebundene Stärkesynthase. Diese Regulationseinheit wurde vor ein Antisense-Gen der gebundenen Stärkesynthase gesetzt. In eine Kartoffelline, die für die Produktion von Stärke Verwendung findet, brachten unsere Wissenschaftler dieses Gen gemeinsam mit einem Markergen ein. Dieser Marker erlaubt es, unter einer Vielzahl von Zellen diejenigen auszuwählen, die das neue Gen enthalten (siehe MPIZ aktuell 1996/1).

Die so gentechnisch veränderten Pflanzen zeigten im Mikroskop, dass ihre Stärkekörner keine Amylose enthalten. Ein sehr einfacher Test kann das beweisen: Stärke, die noch Amylose enthält, färbt sich in einer jodhaltigen Lösung blau, während Amylopektin alleine sich rot färbt.

Da neue Merkmale gentechnisch veränderter Pflanzen nicht immer stabil sind, müssen diese in mehreren Generationen getestet werden. Auch die Nachkommen dieser Kartoffeln zeigten das gleiche Merkmal. Diese Untersuchungen im Gewächshaus brachten also das gewünschte Ergebnis. Nun ist es wichtig, diese Ergebnisse unter Bedingungen im Freiland zu testen, da nur so gewährleistet ist, dass die neue Eigenschaft stabil ist und Umweltfaktoren keinen Einfluß nehmen (siehe dazu auch MPIZ aktuell 1996/1 ).

Auch die Methode der Ribozyme wurde benutzt. Dabei stellten unsere Mitarbeiter mehrere, verschiedene Ribozyme her. Der Test im Reagenzglas verlief positiv: Die Ribozyme zerschnitten ihre Ziel-RNA, die mRNA der gebundenen Stärkesynthase. In mehrere Kartoffelsorten, die man industriell zur Stärkeproduktion nutzt, führten unsere Wissenschaftler die Erbinformation für diese Ribozyme ein. Doch was im Reagenzglas so einfach erschien, ließ sich in der Pflanzenzelle nicht verwirklichen.

Dieser Versuch zeigt deutlich, dass auf dem Papier viele Wege zum gewünschten Ziel führen. Aber was im Reagenzglas klappt, muss in der lebenden Zelle noch lange nicht möglich sein. Daher ist es wichtig, viele verschiedene Ansätze in der Wissenschaft zu verfolgen und schließlich mit dem weiter zu arbeiten, der sich als der geeignetste herausstellt.