Kartoffelgeschichte und -Geschichten

64. Welche Kartoffelkrankheiten können Bauern in den Ruin treiben?

Pflanzkartoffeln (das ist das, was beim Getreide das Saatgut ist) brauchen eine staatliche Anerkennung. Mitte Juli erfolgt die Feldanerkennung, bei der geprüft wird, ob die Stauden keine Virussymptome zeigen und nach der Ernte die Beschaffenheitsprüfung u.a. auf die Bakterienringfäule (Corynebacterium sepedonicum) und die Bakterielle Schleimkrankheit (Pseudomonas solanacearum).
Diese Krankheiten sind ursprünglich nur in den USA und Russland bzw. in Ägypten aufgetreten; sie sind aber seit einiger Zeit auch in Europa ernstzunehmende Kartoffelkrankheiten, die als Quarantänekrankheiten gelten und daher weitgehende Verwertungs- und Anbaubeschränkungen zur Folge haben, wenn sie in einem Vermehrungsbestand festgestellt werden. Befallene Kartoffeln dürfen zwar noch als Speisekartoffeln, aber nicht mehr als Pflanzkartoffeln verkauft werden, was zu erheblichen finanziellen Einbußen bei dem betroffenen Landwirt führen kann.
Von einem besonders tragischen Fall wird aus der Gemeinde Fuchstal im Kreis Landsberg/Lech berichtet.

Der Landwirt Christian Kraus pflanzte 1991 u.a. Kartoffeln der Sorte Tomensa, und zwar als Basispflanzgut, Klasse S, also gleichsam die Urgroßmütter des üblichen Z-Pflanzgutes. Er bezog sie von einem Kartoffelzüchter aus Niedersachsen, wo man den Knollen ihre einwandfreie Gesundheit bescheinigt hatte. Der Landwirt vermehrte die Kartoffeln zu Basispflanzgut der Klasse SE, also den Großmüttern der Pflanzkartoffeln. Auch diesem Pflanzgut wurde die Abwesenheit von bakteriellen Krankheiten bescheinigt. Einen Teil dieser Knollen verkaufte der Landwirt nicht, sondern baute sie 1992 auf einem Teil seiner Kartoffelfläche als Weitervermehrung zu Basispflanzgut, Klasse E, also den Müttern der Pflanzkartoffeln, an. Die Beschaffenheitsprüfung an dieser Vermehrungsstufe im Herbst 1992 ergab aber einen Befall mit Bakterienringfäule. Das bedeutete, dass der Landwirt sein Pflanzgut nicht mehr verkaufen und zudem auch niemand für den Schaden haftbar machen konnte, da er das Pflanzgut ja bereits 1991 bezogen hatte. Rund 24 Hektar waren 1992 von dem Verwertungsverbot betroffen (s. Frage 65).
Für Landwirt Christian Kraus bedeutet das nach seinen eigenen Angaben Einkommenseinbußen von vier- bis fünfhunderttausend Mark, die er unverschuldet hinzunehmen hatte.

Aus dem Solidaritätsfond für Kartoffeln und aus einem staatlichen Hilfsfond, der Opfer der Kartoffelschutzverordnung unterstützt, hätte der Landwirt nicht einmal zehn Prozent der Schadenssumme ersetzt bekommen. Da er 1991 einen Kredit in Höhe von 500.000 DM aufgenommen hatte, den er für eine Betriebsaussiedlung benötigte, blieb ihm nur noch der Konkurs.



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