Kartoffelgeschichte und -Geschichten

48. Was steht in einer Kartoffelexpertise von 1913?

Rudolf Ditzen, der unter dem Namen Hans Fallada so bekannte Bücher wie "Bauern, Bonzen, Bomben" oder "Kleiner Mann was nun" schrieb, war bis 1920 ein geschätzter Kartoffelkaufmann und -züchter (s. Kap. 9, Frage 28). 
Im Kriegs- und Hungerjahr 1917 verfasste er eine Expertise, in der er Wege zur Steigerung der Kartoffelerträge aufzeigte. 

Darin heißt es unter anderem:
"Im Jahre 1913 hatten wir die größte bisher in Deutschland produzierte Kartoffelernte: 54 Millionen Tonnen. Diese Ernte, die wir heute alle als eine Erlösung in der Sackgasse der Ernährungsfragen ansehen würden, war damals also ein Grund zur Trauer. Der Landwirt wußte nicht wohin mit seinen Kartoffeln. Sie samt und sonders in seiner eigenen Wirtschaft verfüttern konnte er in Ostdeutschland nicht, der Markt war wenig willig, diese Überproduktion zu annehmbaren Preisen aufzunehmen. Unsere Brennereien waren kontingentiert und konnten nicht mehr Spiritus erzeugen, wenn sie nicht ein Überangebot in Spiritus und damit ein unreelles Sinken der Hektoliterpreise hervorrufen wollten. Die Stärkefabriken befanden sich schon von je in einer schwierigen Lage, denn Holland und Belgien, das höhere Hektarerträge als Deutschland aufzuweisen hat, konnte das Stärkemehl um zwei Mark billiger für den Doppelzentner auf den Markt werfen. Die Trocknereien aber waren noch nicht so recht in Aufnahme gekommen, wohl besaßen wir 1913 ungefähr 480, die Millionen Zentner Frischkartoffeln trocknen konnten, aber die Nachfrage nach ihren Erzeugnissen war gering, und statt dessen führte Deutschland für etwa eine Milliarde Mark Futtermittel ein, von denen der größte Teil eiweißarm war. Hier bestand also wenig oder gar keine Möglichkeit, die hohen Erträge abzustoßen, und so blieb denn nur der Speisekartoffelmarkt. Was im Jahr 1913 für Speisekartoffelpreise gezahlt wurden, das spottet jeder Beschreibung. Nicht nur im Osten, nein auch im Westen, zum Beispiel im Großherzogtum Oldenburg, war der übliche Preis für einen Zentner Speisekartoffeln 90 Pfennig."



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