Kartoffelgeschichte und -Geschichten

44. Wann wurde der erste Kartoffelschnaps gebrannt?

Die erste Kartoffelbrennerei wurde 1750 in der Pfalz betrieben. Aber erst ab Anfang des 19. Jahrhunderts erlangte die Verarbeitung von Kartoffeln zu Alkohol größere Bedeutung, was in besonderem Maße zur weiteren Ausbreitung des Kartoffelanbaus beitrug, vor allem auch deswegen, weil die Kartoffelbrennereien als wertvolles Nebenprodukt die Kartoffelschlempe für die Schweine- und Rindermast lieferten. Wegen der Überproduktion von Kartoffelalkohol (1912/13 wurden in Deutschland drei Millionen Hektoliter erzeugt) entwickelte man Spiritus-Leuchtlampen, um Petroleum zu ersetzen, und nach dem ersten Weltkrieg gab es einen Beimischungszwang von Kartoffelsprit zum Automobilkraftstoff.

Der damals sogenannte "Reichskraftstoff" bestand aus 25 bis 30 % Kartoffelalkohol, Benzol und weiteren Kohlenwasserstoffen. Die 1925 gegründete "Reichskraftsprit GmbH" (RKS) brachte Benzingemische mit reinem Kartoffelalkohol unter dem Namen "Monopolin" auf den Markt. 1930 wurde eine Beimischungspflicht von Alkohol zu allen Vergaserkraftstoffen eingeführt. Die verordneten Pflichtbeimischungen lagen zwischen 2,5 und 10 % des Kraftstoffgewichtes je nach der Versorgungslage mit Alkohol. Diese Regelung wurde 1939 durch eine "Verordnung über den Bezug von Kraftspiritus" abgelöst. Die Alkoholverwendung ging auf freiwilliger Basis auch nach dem Zweiten Weltkrieg weiter und kam erst 1955/56 im Zuge der sich entwickelnden Erdölindustrie zum Erliegen.

Mit Kartoffelalkohol fuhr auch das erste Automobil, der "Patent-Motorwagen" von Carl Benz, mit dem er am 3. Juli 1886 in Mannheim eine Testfahrt unternahm. Der Viertakt-Motor des Benz-Dreirads hatte nur einen Zylinder mit fast einem Liter Hubraum und leistete 0,88 PS (0,65 kW).

Viele landwirtschaftliche Güter, die eine Kartoffelbrennerei betrieben, gelangten durch den Verkauf von Spiritus und die bessere Futterversorgung ihres Viehs durch die Schlempe zu Wohlstand. Um einen Einkommensausgleich zwischen den zu Reichtum gekommenen und den wirtschaftlich weniger erfolgreichen Gütern zu schaffen und um die staatlichen Einnahmen zu erhöhen, wurde ab 1887 eine Branntweinsteuer erhoben. Das Branntweinsteuergesetz entstand auf Betreiben des ersten deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck. Eine zunehmende Überproduktion von Alkohol führte 1922 zum Erlass des Branntweinmonopolgesetzes (s. Kapitel 8, Frage 46). Es legte neben dem Steuersatz die Brennrechte der Betriebe fest und verschaffte dem Staat durch Regelung des Mengenangebots (Kontingentierung) gleichmäßig fließende Steuereinnahmen.



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