Kartoffelgeschichte und -Geschichten

26. Wie kam der Kartoffelkäfer nach Nordamerika?

Im mexikanischen Hochland wächst die Nachtschattenpflanze Solanum rostratum, die auch Büffelklette genannt wird (s. Frage 25), weil ihre Samen kleine Häkchen besitzen, mit denen sie am Fell von Tieren haften. An den Blättern dieser gelbblühenden Wildpflanze fressen die schwarzgelbgestreiften Kartoffelkäfer und ihre ursprünglich gelben Larven. Um 1680 trieben mexikanische Viehhirten ihre Rinderherden nach Norden, um sie in Texas zu verkaufen. Die Büffelklette konnte sich, als Samen im Fell der Rinder haftend, auf diese Weise Richtung Norden verbreiten. Im dichten Fell der Bisons fand die Klette eine weitere Reisemöglichkeit, so dass sie bald entlang der Wanderwege der Bisonherden in den Weiten der Nordamerikanischen Prärien bis nach Colorado, Iowa und Nebraska zu finden war. Der Käfer folgte seiner Futterpflanze von Mexiko bis in den mittleren Westen der USA. Der Naturforscher Thomas Say entdeckte den auffällig gestreiften Käfer 1819 bei einer Expedition in die Rocky Mountains und nannte ihn nach dem Bundesstaat, in dem er ihn gefunden hatte, Coloradokäfer (Leptinotarsa decemlineata).

Auch die Kartoffel war zu jener Zeit auf Reisen. 1719 wurde sie von irischen Einwanderern in die USA mitgebracht (s. Frage 6). Mit dem Vormarsch der weißen Siedler erreichte die Kartoffel Mitte des 19. Jahrhunderts das Verbreitungsgebiet der Büffelklette und damit auch den Lebensraum des Coloradokäfers. Der Käfer hatte sich rasch an die neue, in großer Menge verfügbare Nahrung, das Kartoffellaub, angepasst. Fütterungsversuche mit Käfern aus Mexiko, die sich an der Büffelklette entwickelten, haben gezeigt, dass etwa ein Drittel der Larven auch Kartoffellaub frißt. Man hat daraufhin in genetischen Untersuchungen festgestellt, dass sich die mexikanische Stammform und der Kartoffellaub fressende Käfer in nur zwei Erbfaktoren unterscheiden. Es ist offenbar dieser kleine Unterschied im Erbgut, der die größere Toleranz bei der Auswahl der Nahrungspflanze bewirkt. Die Kartoffelrasse entwickelt orangerote Larven, während die Büffelklettenrasse hellgelbe Larven hervorbringt. Vor allem aber ist die Fruchtbarkeit der Kartoffelrasse stark erhöht. Während die weiblichen Käfer an der Büffelklette nur 20 Eier ablegen, legen sie an Kartoffeln in einer Woche 800 bis 2000 Eier verteilt auf mehrere Pflanzen ab.



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