Kartoffelgeschichte und -Geschichten

22. Welcher Krankheitskomplex erwies sich als Gefährdung des europäischen Kartoffelbaus?

Es sind verschiedene Kartoffelviren, die vor allem durch die Grüne Pfirsichblattlaus (Mycus persicae) auf die Kartoffelstauden übertragen werden. Blatt- und Knollenbefall verursachen folgende Ertragseinbußen: 

In Deutschland war es, nachdem bereits 1780 starker Befall mit der Blattrollkrankheit aufgetreten war, insbesondere das Jahr 1905, in dem die Blattrollkrankheit so starke Ertragsverluste verursachte, dass der pommersche Kartoffelzüchter Henning Graf von A r n i m - S c h l a g e n t h i n Europas Kartoffelbau in Gefahr sah (s. Kap. 9, Fragen 33 und <../kunst/k_052.htm">52). Auf einer Anbaufläche von 3,3 Mio. Hektar und mit einem durchschnittlichen Hektarertrag von knapp 14 Tonnen deckte damals die Kartoffel in Deutschland ein Viertel des gesamten Nahrungsbedarfs.

Aber bereits einige Jahre später stellte Geheimrat Theodor R e m y in seinem Lehrbuch "Der Kartoffelbau" fest, dass "die düsteren Prophezeiungen über die dem europäischen Kartoffelbau durch die Blattrollkrankheit drohende Gefahr sich erfreulicherweise nicht verwirklicht hat." 1927 erkannte Karl K r ü g e r , dass "sich jede Kartoffelsorte dauernd gesund erhalten läßt, wenn man die Blattläuse von ihr fernhält." Acht Jahre später entdeckte ein Engländer die Virusnatur des "Kartoffelabbaus" (s. Frage 21). Daraus ergab sich die Empfehlung, Pflanzgut nur dort zu erzeugen, wo es keine Blattläuse gibt. Das ist der Fall im höheren Mittelgebirge (Schwarzwald, Erz- und Riesengebirge) und an der mecklenburgisch-pommerschen Ostseeküste. In diesen sogenannten Gesundlagen wird auch heute noch das Vorstufen- und Basispflanzgut erzeugt (s. Kap. 2, Frage 36 und Kap. 4, Frage 5).

Die chemische Blattlausbekämpfung gelang erst 20 Jahre später der Firma BAYER-Leverkusen mit E 605. Seit der Entwicklung der ersten vollsystemischen Insektizide Systox und Metasystox 1948 ist die Chemotherapie und damit die Virus-Vektorenbekämpfung in die Praxis mit Erfolg eingeführt.

Der Virus-Abbau kann schon beim ersten Nachbau bei 30 % Ertragsverlust liegen, beim zweiten und dritten sind es bereits 60 bis 75 % und beim vierten eigenen Nachbau liegt der Ertragsverlust gegenüber virusfreiem Pflanzgut sogar bei 85 %. Diese starken Ertragsverluste durch den Viruskomplex unterstreichen die Bedeutung der Pflanzguterzeugung in Gesundlagen, die Notwendigkeit einer Chemotherapie gegen die virusübertragenden Blattläuse und eine konsequente Virustestung und amtliche Zertifizierung des Pflanzgutes.



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