Kartoffelgeschichte und -Geschichten

21. Was versteht man unter dem "Abbau" der Kartoffel?

Beim ökologischen Abbau der Kartoffel handelte es sich um eine Theorie, die auf den Botaniker und Direktor des Münchner Botanischen Gartens, Carl Friedrich Philipp von M a r t i u s (1794-1868), zurückgeht. Im Auftrag des bayerischen Königs Max I. Joseph bereiste er zusammen mit einem Zoologen zwischen 1817 und 1820 Brasilien. Aus der Kenntnis der andersartigen Standortverhältnisse in Südamerika wies er 1845 auf den Gegensatz zwischen dem natürlichen Standort der Kartoffel in den südamerikanischen Anden und dem mitteleuropäischen Klima und den Anbaumethoden hin. Als Folge dieser Disharmonie sollten die Kulturkartoffeln zunehmend an Anbauwert verlieren, sie sollten "abbauen".

Diese Theorie fand Professor Dr. Friedrich M e r k e n s c h l a g e r (1892-1968) zu Beginn seiner Untersuchungen 1927 an der Biologischen Reichsanstalt in Berlin-Dahlem vor. Anhand der eigentümlichen Geschichte der Kartoffelsorte Magnum bonum beschrieb er den ökologischen Abbau der Kartoffel, die im wärmeren Süddeutschland nur noch geringe Erträge ergab, während sie im kühleren, dem Andenklima ähnlicheren Skandinavien, noch immer ertragreich war. 1935 stellte sich jedoch die ökologisch-klimatische Theorie als Irrtum heraus. Der Engländer S t a n l e y bewies die Virusnatur des Abbaus, der im wesentlichen durch das von Blattläusen übertragene Blattroll- und Y-Virus verursacht wird (s. Kap. 2, Fragen 22 und 45).

Merkenschlager hat seinen Irrtum nie offen zugegeben, obwohl ihm klar war, dass er und seine Mitarbeiter einen Irrweg gegangen waren. Nach dem Krieg schrieb er: 
"Freilich hatten die Arbeiten aus der Biologischen Reichsanstalt nur eine Auflage von 800 Exemplaren, und es scheint heute, dass ein großer Teil dieser Auflage der [Kriegs-]Zerstörung anheim gefallen ist, und wir alle graben nicht gern unter Trümmern."



zurück - Seitenbeginn - home