Die Kartoffel in der Ernährung:
Die Ernährungsgewohnheiten

1. Wie haben sich unsere Ernährungsgewohnheiten mit der Kartoffel im Laufe der Zeit gewandelt?

Um 1750 aß man Mehl- und Grützsuppen, meist aus Roggenmehl, Hafer- und Buchweizengrütze, bei denen das geschrotete Korn gekocht wird. Kartoffeln waren als Nahrungsmittel noch nicht geläufig (s. Kap. 1, Frage 12).

Um 1895 aß man morgens, mittags und abends Pellkartoffeln (s. Kap. 9, Frage 81). In der Mitte des Tisches, um den die Familie saß, stand eine Pfanne mit gebratenem Speck, Lein- oder Rüböl und Zwiebeln, oft auch nur eine Schale mit Salz oder Heringslake, wohinein die Kartoffeln von allen am Tisch gestippt wurden (s. Kap. 9, Frage 37). In Norddeutschland hieß dieses Gericht "Pellkartoffeln mit Stippe", in der Pfalz "Gequellte un dubb-dubb". Diese Zeit war mit 322 kg pro Kopf und Jahr der Höhepunkt des Kartoffelverzehrs.

Um 1955 aß man in Norddeutschland Grünkohl und Kassler, Bauchspeck und Brägenwurst, in Bayern Leberkäs', Wammerl und Schweinswürstl auf (Sauer-)Kraut. Fleisch und Wurst rückten in den Mittelpunkt des Tellers, Kartoffeln oder Knödel an den Rand. Der Kartoffelverzehr lag in dieser Zeit bei 155 kg/Kopf.

Um 1995 aß und isst man in ganz Deutschland nicht nur zur Mittagszeit Currywurst oder Zigeunerschnitzel mit Pommes frites und Tomatenketchup, zwei vor allem bei der jüngeren Generation beliebte Menüs, die in der Kultszene liebevoll "Manta-" oder "Schimanski-Teller" bzw. "Gelsenkirchener Festplatte" genannt werden. Currywurst mit Pommes frites und Ketchup wurde zum ersten Ma(h)l 1949 an einerAutobahnraststätte bei Kassel von einer Frau Herta Heuwer amerikanischen Besatzungssoldaten serviert.

Da immer mehr Menschen in der mobilen Gesellschaft gezwungen sind, außer Haus zu essen, muss ein Gericht, das man unterwegs zu sich nimmt, preiswert sein und schnell serviert werden. Bereits jeder 10. Westdeutsche und jeder 5. Ostdeutsche isst mittags am Imbissstand ein "fast-food"-Gericht mit Pommes frites. Daher sind heute schon 40 % des Gesamtverzehrs an Kartoffeln von 73 kg/Kopf und Jahr Verarbeitungsprodukte (s. Frage 3). Im Durchschnitt ißt jeder nur noch zwei Kartoffeln pro Tag.

In einer Umfrage unter Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren in der Stadt Kiel antworteten 63 % auf die Frage Welche Art von fast food bevorzugst Du? mit: "Pommes frites". Der "Renner" bei den Kieler Jugendlichen ist allerdings Pizza mit 90 %, Döner Kebap mit 61 % gefolgt von Hamburger (58 %), Crêpes (42 %), Hähnchen (39 %), Sandwich (19 %) und Bratwurst (12 %). Die Prozentzahlen geben den Anteil der Nennungen an.

Eine weitere Verbraucher-Analyse unter Kindern und Jugendlichen ergab, dass Pommes frites doch beliebter als Pizza sind:

Kind/Jugendlicher
isst in %

jeden Tag

ein paar Mal
in der Woche

einmal
in der Woche

seltener

nie

Pizza 0,6 11,2 36,6 48,0 3,6
Pommes frites 0,3 21,5 37,4 38,3 2,6
Fischstäbchen 0,1 5,2 31,3 53,9 9,5
Suppe 2,9 20,2 38,0 33,5 5,5
Dessertspeisen 2,7 22,2 30,3 37,1 7,7
Milchgetränke 1,6 6,6 15,1 49,1 27,6

Nicht weniger beliebt als Pommes frites sind Kartoffelchips. Sie gelten aber in Deutschland weniger als Nahrungsmittel, sondern eher als Genussmittel. Während in Groß Britannien, Italien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden pro Kopf und Jahr 1,5 bis 2 kg Kartoffelchips* verzehrt werden, in den USA sogar 3 kg, stagniert der Verbrauch in Deutschland schon seit Jahren bei rund 700 g (s. Kap. 7, Frage 19). Dies liegt zum Teil an unterschiedlichen Verzehrsgewohnheiten. In Deutschland gibt es häufiger noch ein "ordentliches" Mittagessen, in anderen Ländern dagegen öfter einen "Lunch" mit Chips oder einer Pizza und anderen "Snacks", wie vor allem in Schweden, wo die Erwerbsarbeit der Frau das Übliche ist. Aber es gibt auch zunehmend Konkurrenzprodukte auf Mais- und Reisbasis, die eine Verbrauchssteigerung von Kartoffelchips erschweren.

Die Vorliebe für "süß" ist gerade bei Kindern immer noch deutlich stärker ausgeprägt, als für alle anderen Geschmacksrichtungen. So liegt z.B. der Schokoladenverzehr in Deutschland und der Schweiz bei 8,5 bis 9 kg pro Kopf und Jahr. Die Kreation von süßen Schoko-Kartoffelchips wäre daher eine durchaus marktkonforme Entwicklung (s. Kap. 8, Frage 6).


*) Maximalverzehr in England bei Kindern der "lower class":
über 40 kg/Jahr. Zwei Drittel der Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren aus 500 befragten Familien essen mindestens fünf Mal in der Woche Chips.



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