Die Kartoffel auf dem Acker:
Der P f l a n z e n s c h u t z

44. Wie kann man die Kartoffel vor Virus-Befall schützen

(s. Frage 36)?

Die Ertragsverluste durch Virusbefall bei Kartoffeln werden weltweit auf rund 50 Millionen DM ge-schätzt. Blattroll-, Y- und X-Virus verursachen Rollen, Strichelbildung bzw. Mosaikscheckung der Blätter. Ein neuer Y-Virusstamm (New Tuber Necrosis Virus, NTN*) verursacht hauptsächlich Knollensymptome. In Speisekartoffelbeständen sind nicht selten 60 % der Stauden von einem dieser Viren oder allen dreien befallen. Mit jedem Prozent schwer viruskranker Pflanzkartoffeln sinkt der Knollenertrag um 0,6 % und der Stärkegehalt um 0,023 %. Hierbei bewertet man "Blattroller", "Strichler" und "schweres Mosaik" als "schwer viruskrank", vier "leicht mosaikkranke" Stauden werden wie eine schwer viruskranke Staude bewertet. Vor allem Sorten mit mittlerer bis hoher Anfälligkeit für Y-Virus, wie Adretta, Cilena, Hansa, Quarta, unterliegen dem Virus-Abbau (s. Kap. 1, Fragen 21 und 22).

Viren kann man nur dadurch bekämpfen, dass man ihre Überträger bekämpft. Während das X-Virus über Blattverletzungen übertragen wird, werden Blattroll- und Y-Virus durch die Grüne Pfirsichblattlaus und 23 weiter Blattlausarten übertragen. Das Y-Virus wird auch durch Blattläuse übertragen, die die Kartoffel nicht besiedeln, wie Getreideläuse und Schwarze Bohnenläuse. Diese Läuse übertragen das Virus durch einen Probestich und erst dann merken sie, dass sie auf der falschen Pflanze sitzen. Die Blattläuse infizieren beim Saugen von Zuckersaft aus den Leitbündeln die Kartoffeln mit Viren, die sie vorher aus bereits befallenen Kartoffelpflanzen oder Wildkräutern aufgenommen haben. Die Pfirsichblattläuse kommen im Frühjahr von den Pfirsichbäumen, an denen sie in Form von "Wintereiern" überwintert haben, saugen z.B. an einem Löwenzahn- oder Gänseblümchenblatt, nehmen hier Viren auf und fliegen dann, sobald die Kartoffeln Ende April ihr Laub entwickeln, auf Kartoffelstauden, auf die sie die Viren übertragen.

Wenn die ersten geflügelten Blattläuse im Frühjahr gesichtet werden, gibt der amtliche Pflanzenschutzdienst über Warnmeldungen Bekämpfungsempfehlungen heraus. In der Phase des Zuflugs von Blattläusen im Frühjahr hat sich der Einsatz von Kontaktinsektiziden (Pyrethroiden) bewährt, mit denen auch die gerade zugeflogenen Kartoffelkäfer bekämpft werden können. Synthetische Pyrethroide wirken auf anfliegende Läuse auch abschreckend, d.h., sie fliegen wieder weg, ehe sie auf einem Kartoffelblatt gelandet sind, weil es "schlecht riecht". Systemisch wirkende Insektizide, wie Metasystox, schützen die gesamte Pflanze von innen heraus vor einer Läusebesiedlung. Die Laus muss aber erst einige Zeit Saft aus den Leitbündeln der Pflanze gesaugt haben, ehe sie genügend insektiziden Wirkstoff aufgenommen hat und stirbt. Die Übertragung des Y-Virus, die bereits durch "unverbindliche Probierstiche" der Laus erfolgt, kann durch systemische Insektizide nicht verhindert werden, wohl aber die Übertragung des Blattrollvirus, die erst nach einigen Minuten des Saugens erfolgt. Im Sommer vermehren sich die Läuse sehr rasch, sodaß Pflanzkartoffeln in wöchentlichen Abständen gespritzt werden müssen. Aber gegen die Übertragung des Y-Virus ist man oft machtlos. Dann bleibt nur noch die Krautabtötung zum amtlich festgesetzten "Tottermin" (s. Frage 41), um die Virusabwanderung aus den befallenen Blättern in die Knollen zu verhindern.

Gegen versteckt (blattunterseits) sitzende, ungeflügelte Tochterläuse wirkt am besten Pirimor, ein Insektizid aus der Wirkstoffgruppe der Carbamate, das infolge seines hohen Dampfdrucks eine gute "Tiefenwirkung" hat. Pirimor sollte aber nie allein sondern immer entweder mit Pyrethroiden oder systemischen Insektiziden gespritzt werden, da es zwar gegen die Grüne Pfirsichblattlaus sehr gut wirkt, aber nicht gegen die anderen, die Kartoffel besiedelnden Blattläuse. In den ersten drei Wochen nach Flugbeginn muss alle fünf bis sieben Tage mit Pirimor gespritzt werden, damit die Konzentration auf den sich schnell entwickelnden Stauden nicht zu gering wird. Bei zu geringer Wirkstoffkonzentration werden die Läuse nämlich "nervös", ziehen ihren Saugrüssel zurück und stechen "wie wild" auf den Blättern herum, ohne abgetötet zu werden. Dadurch kann das Y-Virus stärker verbreitet werden, als wenn man gar nicht gespritzt hätte.- Für alle Insektizid-Spritzeinsätze gegen Blattläuse in Kartoffeln gilt der Grundsatz, tropfnaß spritzen und vor allem systemische Insektizide nur morgens spritzen, weil die Pflanzen dann voll turgeszent sind, wodurch die Wirkstoffaufnahme besser ist, als während der Mittagshitze, wenn die Stauden etwas schlaffen.

Seit 1999 können Blattläuse und Kartoffelkäfer auch durch Beizung der Pflanzknollen bekämpft werden. Das Beizmittel Monceren G enthält neben einem Wirkstoff gegen Rhizoctonia (s. Frage 44) auch den insektiziden Wirkstoff Imidaclopryd (Handelsname: Gaucho), der systemisch ist. Er verhindert die Infektion mit Blattrollvirus sicher, nicht hingegen eine Übertragung des Y-Virus. Man kann allerdings bei der Bereinigung viruskranker Stauden auf das anstrengende Heraustragen verzichten und die herausgerissenen kranken Stauden im Kartoffelfeld liegen lassen.

Es gibt bereits mehr als 40 Sorten aller Reifestufen (s. Frage 37), die eine sehr geringe Anfälligkeit für Y-Virus haben, wie Flora, Forelle, Liu, Lyra, Rosella, Secura, Solara. Ungefähr 20 % der Vermehrungsfläche werden mit diesen Sorten bestellt, die nicht so oft insektizid behandelt werden müssen, wie die Sorten höherer Anfälligkeit. Nur wenige Sorten haben eine umfassende Virusresistenz (gegen Blattroll-, Y- und A-Virus). Es sind dies die Speisesorten Andra (I**), Rita (I), Rosara (I), Tirana (III), Fasan (IV) und Libora (IV). Eine vollständige Resistenz gegen Kartoffelviren wird am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln entwickelt. Man versucht, die Transportproteine, die das Virus von Zelle zu Zelle weiterleiten, gentechnisch so zu verändern, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen können, und die Virusinfektion auf die infizierte Zelle beschränkt bleibt.


*) Das NTN-Virus wurde Anfang der 1980er Jahre aus Ungarn (über Südamerika) nach Deutschland eingeschleppt. Es tritt immer dann besonders stark auf, wenn es warm und trocken ist. Latenter Befall ist möglich, d.h., die typischen Ringsymptome treten erst während der Knollenlagerung auf. Besonders anfällig sind die Sorten Cilena, Exempla, Gambria, Linda, Mona Lisa, Nicola.

**) Reifegruppe; s. Frage 37.



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